Plagiarius-Preisträger 2019: Die zehn größten Produktfälschungen | W&V

2022-11-15 16:35:56 By : Mr. Longtime LT

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Auf seinem Weg zur Wirtschafts-Supermacht fälscht China schamlos weiter. Alle zehn Plagiarius-Preisträger 2019 kommen aus dem Reich der Mitte. 

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Der vom Designer Rido Busse ins Leben gerufene Negativ-Preis "Plagiarius" wurde heute auf der Frankfurter Konsumgütermesse Ambiente zum 43. Mal verliehen. Bereits seit 1977 vergibt die Verein Plagiarius den gefürchteten Schmäh-Preis an Hersteller und Händler besonders dreister Plagiate und Fälschungen. Ziel ist, die plumpen und skrupellosen Geschäftspraktiken von Produkt- und Markenpiraten ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und Industrie, Politik und Verbraucher für die Problematik zu sensibilisieren.

Gleichzeitig will der Verein die Wichtigkeit und Wirksamkeit von gewerblichen Schutzrechten hervorheben. Und bei Konsumenten die Wertschätzung für kreative Leistungen steigern, indem er ihnen vor Augen führt, dass die Entwicklung eines Produktes von der ersten Idee bis zur Marktreife viel Zeit, Geld, Know-how und Innovationskraft kostet. Dafür soll auch die Trophäe des Negativ-Preises stehen: Ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase – Symbol für die immensen Profite, die ideenlose Nachahmer sprichwörtlich auf Kosten von Kreativen und der Industrie erwirtschaften.

Schrägsitzventil "Typ 2000" (Einsatz: Dampfanwendungen z.B. in der Textilindustrie)

Links Original:             Bürkert Werke GmbH & Co. KG, Ingelfingen, Deutschland

Rechts Plagiat:           Ningbo ACME Industrial Automation Co., Ltd., Ningbo, VR China

Der Nachahmer hat ein ganzes Produktprogramm kopiert. Er verletzt die international registrierte Bildmarke (4 Streifen) und das u.a. in China eingetragene Design. Bei der 1:1 Kopie des Ventils wurden alle Bürkert-typischen Designelemente, wie z.B. die Rahmen um die Zahlen beim Messingventilgehäuse, übernommen, so dass Verwechslungsgefahr besteht.

Foto: Foto: Aktion Plagiarus e.V

Links Original:             BRUDER Spielwaren GmbH + Co. KG, Fürth, Deutschland

Rechts Plagiat:           Hersteller:       Hengheng Toys Factory, Shantou, VR China

                               Vertrieb:         Der deutsche Vertreiber des Plagiats hat eine                                                                                               Unterlassungserklärung unterschrieben und Schadenersatz gezahlt

Das Plagiat ist kleiner als das Original - Design, Technik und Proportionen wurden aber 1:1 übernommen. Die billigen Materialen (Gehäuse, Räder…) und die schlechte Verarbeitung (instabil, lose Kleinteile) spiegeln die minderwertige Qualität wider.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Gusseiserner Bräter "Staub Cocotte"

Links Original:             ZWILLING J.A. Henckels AG, Solingen, Deutschland

Rechts Plagiat:           Hersteller: Zhejiang Keland Electric Appliance Co., Ltd., Zhejiang, VR China

                               Vertrieb: diverse deutsche und europäische Händler haben strafbewehrte                                                     Unterlassungserklärungen abgegeben

Der Nachahmer hat alle charakteristischen Gestaltungsmerkmale des Originals 1:1 übernommen; allerdings ist das Plagiat nicht aus hochwertigem Gusseisen, sondern aus billigem Aluminium und kostet auch nur ein Zehntel des Originals. Dem Original-Bräter wurde wettbewerbliche Eigenart zuerkannt.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Sechs gleichrangige "Auszeichnungen" wurden vergeben:

Links Original  :           Busch-Jaeger Elektro GmbH, Lüdenscheid, Deutschland

Rechts Plagiat:           Hefei Ecolite Software Co., Ltd., Hefei, VR China

Design und Funktion wurden plump 1:1 kopiert, allerdings ist das Plagiat leistungsschwächer und hat einen kleineren Erfassungsbereich. Busch-Jaeger hat das Design u.a. in der EU und auch in China schützen lassen.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Sechs gleichrangige "Auszeichnungen" wurden vergeben:

Handbrause "Croma Select S Multi"

Links Original:             Hansgrohe SE, Schiltach, Deutschland

Mitte Fälschung:         Cixi City Changhe Ainuohua Sanitary Ware Factory, Zhejiang, VR China

Rechts Plagiat:           Cixi City Changhe Yihao Sanitary Factory, Zhejiang, VR China

Beide Nachahmer verletzen Designrechte von Hansgrohe in China. Für die Fälschung (Mitte) wird sogar „hansgrohe“ in chinesischen Schriftzeichen verwendet, wofür Markenrechte bestehen. Das Plagiat (rechts) wird über WeChat angeboten. Die Kopien kosten umgerechnet Euro 0,85 / 0,89 und sind entsprechend minderwertig in Material und Produktqualität.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Sechs gleichrangige "Auszeichnungen" wurden vergeben:

Links Original:             MS Motorservice  International GmbH, Neuenstadt, Deutschland

Rechts Plagiat:           Zhejiang Hongchen Auto Parts Co Manufacturing Co., Ltd., Zhejiang, VR China

Rheinmetall Automotive, zu der auch der Ersatzteilspezialist Motorservice gehört, hat den Plagiator in Deutschland erfolgreich wegen Patentverletzung und sklavischer Nachahmung verklagt. Untersuchungen haben ergeben, dass das Plagiat leistungsschwach und die Elektronik mangelhaft ist. Fällt die Pumpe aus, so überhitzt der Motor und es kann zu schwerwiegenden Folgeschäden kommen.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Sechs gleichrangige "Auszeichnungen" wurden vergeben:

Links Original:             Reisenthel Accessoires GmbH & Co. KG, Gilching, Deutschland

Rechts Plagiat:           Chinesische Fahrrad-Fabrik aus Hebei, VR China

Der Gesamteindruck von Original und Plagiat ist identisch, allerdings ist das Plagiat in Bezug auf Materialien und Verarbeitung minderwertig. Der deutsche Vertreiber des Plagiats hat eine Unterlassungserklärung unterschrieben.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Sechs gleichrangige "Auszeichnungen" wurden vergeben:

Links Original:             Rixen & Kaul GmbH, Solingen, Deutschland

Rechts Plagiat:           Hersteller: Tianjin Jiawei Hongfa Plastic Mold Co., Ltd., Tianjin, VR China

                               Vertrieb: u.a. über einen italienischen Hersteller von Fahrradkörben

                                    Design, Funktion und Farben wurden 1:1 übernommen, so dass bewusste                                              Verwechslungsgefahr mit dem Original besteht. Allerdings ist das Plagiat in Bezug                                 auf Materialien und Verarbeitung extrem billig. Die italienische Firma bestreitet den                                Vertrieb des Plagiats trotz eindeutiger Beweise.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Sechs gleichrangige "Auszeichnungen" wurden vergeben:

Silikonförmchen "ECLIPSE" (für Lebensmittel)

Links Original:             SILIKOMART S.r.l., Mellaredo di Pianiga, Italien

Rechts Plagiat:           Hersteller: unbekannt, VR China

Das Produktdesign wurde 1:1 kopiert. Ebenso (nahezu) identisch - und damit irreführend - sind Verpackungsdesign, Firmenname und Produktname.

Das minderwertige Silikon ist höchst wahrscheinlich nie ordnungsgemäß getempert (wärmebehandelt) worden, was aber vorgeschrieben ist für Produkte, die in Kontakt mit Lebensmitteln kommen.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Mitte Originale:           Steinel GmbH, Herzebrock-Clarholz, Deutschland

Außen Plagiate:          Herstellung:    Diverse chinesische Firmen

Der Steinel-Bewegungsmelder IS 1 kam 2006 auf den Markt. Diverse chinesische Hersteller kopieren 1:1 das erfolgreiche (nicht technisch bedingte) Design, teils in billigster Qualität. Einer hat ein EU-Design für sein Plagiat eingetragen; dieses wurde gelöscht. Vertrieben werden die 19 gezeigten Plagiate in 12 europäischen Ländern; manche konnten wegen unlauteren Wettbewerbs aus dem Verkehr gezogen werden. Herausfordernd ist hier die schiere Masse der Nachahmungen.

Foto: Aktion Plagiarus e.V

Allein 2017 haben die europäischen Zollbehörden laut EU-Kommission an den EU-Außengrenzen mehr als 31 Millionen rechtsverletzende Produkte mit einem Gesamtwert von über 580 Millionen Euro beschlagnahmt – und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Alarmierend sei die Tatsache, dass der Anteil gefälschter, potenziell gefährlicher Waren zunimmt, beklagt der Verein. Zoll und auch Interpol haben in den letzten Jahren unter anderem bereits folgende Produkte aus dem Verkehr gezogenen: Verunreinigte Parfums und Kosmetika, technische Produkte mit mangelhafter Elektronik, gepanschte Lebensmittel, fehlerhaftes oder schadstoffreiches Kinderspielzeug, falsch oder gar nicht dosierte Medikamente.

Der diesjährige Laudator, Arndt Sinn, Direktor des Zentrums für Europäische und Internationale Strafrechtsstudien an der Universität Osnabrück, fasste in seiner Rede die negativen Auswirkungen wie folgt zusammen: "Der illegale Handel mit gefälschten Produkten führt zu schädlichen Auswirkungen auch auf die Volkswirtschaften: Innovation und Einnahmen nehmen ab und das Steueraufkommen sowie die Beschäftigungsquoten sinken." Würden die illegalen Gewinne dann mittels Geldwäsche in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust, würden die legalen Märkte unterminiert, was letztendlich von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sei, sagte Sinn. 

Die Zoll-Statistiken zeigen eindeutig, dass China nach wie vor mit großem Abstand das Hauptursprungsland gefälschter Waren ist. Vor diesem Hintergrund thematisieren Politiker aller Industrienationen bei jedem Treffen mit chinesischen Regierungsvertretern die Probleme westlicher Firmen in Bezug auf Produktpiraterie und unfaire Marktzugangsbarrieren.

Gleichzeitig aber verfolgt China seit Jahren mit Nachdruck und mit Investitionen in Milliardenhöhe seinen ehrgeizigen Zehnjahresplan "Made in China 2025": Das Land will zu den technologisch führenden Industrieländern aufschließen. Weg von der verlängerten Werkbank des Westens hin zum ernsthaften Mitbewerber auf den Weltmärkten. Diese Strategie Chinas beinhaltet auch die gezielte Übernahme westlicher Unternehmen, die zukunftsweisende Schlüsseltechnologien besetzen. "Westliche Regierungen und Firmen realisieren langsam die Gefahr, die für die eigene Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten von dieser Entwicklung ausgeht und fangen an gegenzusteuern", so der Verein. 

Zoll-Statistiken berücksichtigen nur Waren, die aus Drittländern in das jeweilige Gebiet (z.B. EU oder U.S.A.) eingeführt werden sollten, sie erfassen keine Rechtsverletzungen innerhalb dieser Region. Fakt ist aber, unlautere Nachahmungen werden häufig auch in Industrieländern hergestellt, vertrieben oder sogar von dort in Auftrag gegeben. Zwar war China im aktuellen Produktpiraterie-Bericht des Branchenverbandes VDMA klar Ursprungsland Nr. 1 von Plagiaten. Gleichwohl folgen zum wiederholten Mal Deutschland mit 19 Prozent auf Platz zwei und Italien mit 18 Prozent auf Platz drei.

Das Museum Plagiarius zeigt ab 15. Februar in Solingen die Gewinner 2019 in seiner Ausstellung mit mehr als 350 Plagiarius-Preisträger der unterschiedlichsten Branchen - jeweils Original und Plagiat im direkten Vergleich.

studierte Amerikanistik in München, volontierte bei W&V und schrieb währenddessen auch für die Süddeutsche Zeitung. Der gebürtige Kölner betreut die Themenbereiche Sport, MarTech, Business Model und SEO/SEA.

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Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen wird in unseren Texten nur die männliche Form genannt, stets sind aber die weibliche und andere Formen gleichermaßen mitgemeint.