RockShox SID Ultimate SL Federgabel im Test: Simpel, leicht & schnell?

2022-11-15 15:34:00 By : Ms. Ellen Chen

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RockShox SID Ultimate SL im Test: Der Name der RockShox SID ist ein Begriff, der in der Rennszene historisch verankert ist, wie kaum ein anderer. Seit den Anfängen von Federgabeln im Mountainbike-Bereich sind die Federungsexperten von RockShox mit der SID auf dem Markt vertreten, die im Laufe der Zeit inmitten des technologischen Fortschritts einen unglaublichen Wandel erlebte. Passend zu den Olympischen Sommerpielen leistete sich RockShox ein vollumfängliches Update für ihr Flaggschiff im Race-Bereich. Leicht, komfortabel und schnell soll die SID SL Ultimate sein. Gelingt der Spagat der verschiedenen Anforderungen?

1998 präsentierte RockShox das erste Modell aus der SID-Reihe. Damals noch mit knappen 60 Millimeter Federweg bemessen, war die Gabel jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt ein Garant für Leichtbau: Lediglich 1.180 Gramm brachte das erste Modell auf die Waage – eine Kerneigenschaft der SID, die wie auch die stechend-blaue Farbe der Federgabel bis zum jetzigen Zeitpunkt erhalten blieb. Spätestens seit dem letzten Update vor knapp zwei Jahren platziert sich die SID Ultimate wieder an der Spitze der Gewichtswertung im Bereich der Race-Federgabeln. 1.315 Gramm für das aktuelle Modell der SID SL Ultimate sind eine klare Ansage an die Konkurrenz.

Auch die weiteren Features der SID haben sich im Verlauf der Jahre nur wenig geändert: 100 Millimeter Federweg, die Fokussierung auf 29″ mit 15 x 110 Millimeter-Boost-Standard und eine Postmount-Bremsaufnahme lassen sich schon bei vorherigen Modellreihen der SID wiederfinden. Neu hingegen ist das überarbeitete Innenleben mit der federleichten Charger Race Day-Dämpfung und das abgespeckte Chassis. RockShox bietet die SID im Hinblick auf den zunehmenden Trend zu dickeren Standrohren in verschiedenen Varianten an: Im Test befindet sich die leichte SL-Version mit 100 Millimeter und 32 Millimeter-Standrohren. Eine etwas schwerere, dafür robustere Variante mit 35 Millimeter konnten wir im Zuge der Vorstellung der SID im Frühjahr 2020 bereits über die Trails jagen.

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Stolze 175 Gramm speckt die neue SID SL Ultimate im Vergleich zum leichtesten Vorgängermodell aus der MY20-Serie ab. Wie kommt es dazu? Neben einer überarbeiteten, federleichten Version der Dämpfungseinheit – an späterer Stelle mehr dazu – konnten die Entwickler von RockShox vor allem am Chassis wertvolles Gewicht einsparen. Kraftflüsse an der Gabel wurden analysiert und unnötiges Material eingespart, soweit es ging. Optisch erkennen lässt sich dies insbesondere an der Gabelbrücke, die am neuen Ultimate SL-Modell besonders minimalistisch daherkommt.

Darüber hinaus drückt eine komplett neu designte Gabelkrone das Gewicht: Im Gegensatz zum Vorgängermodell setzt man nun nicht mehr auf Carbon an dieser Stelle, sondern auf Aluminium. Die Krone wird aus einem einzigen Stück gefräst und soll neben einem leichten Gewicht auch Einfluss auf die Performance der Federgabel nehmen. Zusätzlich entschieden sich die Entwickler von RockShox für diese Variante, da eine Carbon-Krone aufwendige Fertigungsprozesse erfordere, die den Preis der Gabel in die Höhe schnellen lassen würden.

In Bezug auf die Performance verspricht RockShox zudem weitere Optimierungen: Verbesserungen der Toleranzen und der Passgenauigkeit zwischen Stand- und Tauchrohreinheit in Kombination mit reibungsarmen SKF-Dichtungen sollen die Losbrechkraft minimieren. In puncto Achse setzt RockShox auf ein klassisches Schraubachsensystem, das mit der Maxle Lite-Steckachse ohne externen Hebel ausgeliefert wird.

RockShox ist ein alter Hase im Business. Mit der Überarbeitung der Gabel im letzten Jahr hat sich aber einiges geändert. Die Amerikaner haben in der SID eine neue Version der DebonAir-Luftfeder eingesetzt und die leichte und äußerst filigrane Race Day Charger-Kartusche vorgestellt.

DebonAir – das steht bei RockShox seit Jahren obligatorisch für eine große negative Luftfeder. Auch in der neuesten SID-Generation wird diese Technologie eingesetzt. Anstatt den Überströmkanal für den Luftkammer-Ausgleich auf XY % des Federwegs zu platzieren, wurde dieser an der SID erstmals auf die Nullposition gesetzt. Diese kleine Anpassung wurde an der Enduro- und Freeride-Federgabel Zeb (zu unserem RockShox Zeb Test) ebenso umgesetzt. Für Lyrik und Pike gibt es ein Bauteil, dass den gleichen Effekt erzielen soll.

So behält RockShox die große Negativ-Feder bei, die die Kennlinie zu Beginn des Federwegs schön niedrig und geradlinig halten soll, ohne Federweg zu verschenken. Damit das auch am Federwegs-Ende nicht passiert, können wie gewohnt Tokens eingebaut werden. Das bedeutet: Nutzt man den Federweg nicht vollständig, kann man die Luftkammer vergrößern und einen Spacer entnehmen. Geht die Gabel hingegen zu schnell durch den Federweg, können bis zu 3 Spacer die Endprogression erhöhen.

Extrem schmal baut die Race Day Charger-Kartusche. Das Bauteil orientiert sich an den herkömmlichen RockShox Charger-Kartuschen und ist dementsprechend mit einer Bladder ausgerüstet. Neben den deutlich geringeren Dimensionen sind auch die Einstellmöglichkeiten bei der XC-Dämpfung begrenzt: Ein individuelles Setup der Zugstufe sowie ein Lockout via Hebel oder Remote – mehr geht nicht. Entsprechend ist auch das Innenleben deutlich einfacher gehalten. Nadelventile für die Zugstufe und den Lockout, dazu ein Kreislauf für den Ölfluss im offenen Modus sowie ein Blow-Off-Shimstack für harte Schläge im geschlossenen Lockout-Zustand. Auf eine typische Unterteilung in High- und Low-Speed-Kanal verzichtet man indes bei RockShox.

Beim Umlegen des Lockout-Hebels oder Betätigen der Lenker-Remote wird der Ölkanal zur Bladder hin verschlossen und es kann lediglich über den Blow-Off-Shimstack noch Öl fließen. Das Ergebnis der Race Day Charger-Dämpfung: 82 Gramm Kampfgewicht. Simpel, aber effektiv?

Der Lockout selbst kann bei der SID je nach Wahl des Modells mittels eines kleines Hebelchens an der Gabelkrone oder zwei verschiedenen Remote-Lösungen betätigt werden: Das Oneloc-System gleicht eher klassischen Remote-Lösungen und wird mit zwei Bedientasten zum Schließen und Öffnen des Lockouts am Lenker angebracht. Der Remote-Lockout steht dabei etwas über dem Lenker ab. Remote-Lösung Nummer zwei und nicht nur bei Rennfahrer*innen besonders beliebt, ist der Twistloc-Lockout von RockShox: Via GripShift-Prinzip lässt sich der Lockout direkt vom Lenkergriff aus ansteuern und sorgt somit für viel Platz für andere Bedienmöglichkeiten wie absenkbare Sattelstützen und Co. am Lenker.

Durch die einfach gehaltene Herangehensweise in Bezug auf die Funktionen der SID-Dämpfung sind die Einstellungsmöglichkeiten begrenzt. Einzig über den Luftdruck, Volumenspacer und die Anpassung des Nadelventils der Zugstufe lässt sich das Fahrverhalten der SID anpassen.

Damit man trotz dieser überschaubaren Menge an veränderbaren Variablen nichts falsch machen kann, bietet RockShox eine Reihe an Optionen an, die das Setup erleichtern. Allen voran die Trailhead-Setup-App, die sowohl als tatsächliche App zum Download bereitsteht oder via Browser aufgerufen werden kann. Auf Basis des Fahrgewichts (inkl. Ausrüstung) gibt RockShox Empfehlungen für den zu verwendenden Luftdruck und die Einstellung des Rebounds an. Ebenso lässt sich an der Federgabel selbst eine aufgedruckte Tabelle finden, die in bestimmten Gewichtsbereichen Empfehlung parat hält für den passenden Luftdruck.

Grundsätzlich empfiehlt RockShox eine Sag-Einstellung zwischen 15 und 25 Prozent, die aufgrund der größeren Negativkammer in der Federeinheit geringer ausfällt als bei anderen Federgabeln des amerikanischen Herstellers. Zum Vergleich: RockShox empfiehlt bei der Pike oder der Lyrik einen Sag zwischen 25 und 35 Prozent.

Tokens kommen standardmäßig keine in die SID SL Ultimate. Je nach Vorliebe in Bezug auf die Progression der Federgabel können bis zu drei Volumenspacer montiert werden.

Alle technischen Daten, Details und Standards zur RockShox SID SL Ultimate und den vier Vergleichsgabeln, findet ihr in der folgenden Tabelle zum Ausklappen:

Mit einer Kampfansage von einem sagenhaften Gewicht von 1.315 Gramm tritt die RockShox in den Ring im Fight um die schnellste XC-Gabel: Ein schlagkräftiges Argument auf der Rennstrecke und vor allem im Marathonbereich, wo die Performance der Federgabel keine ganz so wichtige Rolle wie auf den schweren World Cup-Kursen im XC-Zirkus spielt. Dem geringen Gewicht angemessen wirkt die SID SL Ultimate auch deutlich minimalistischer und unscheinbarer beim Einbau. Die Optik verspricht Geschwindigkeit in jeder Hinsicht.

Das Setup der SID SL Ultimate erfolgt dank ihrer begrenzten Möglichkeiten denkbar einfach: Die Angaben seitens RockShox via Trailhead-Setup-App und aufgedruckter Tabelle sind ein guter Ausgangspunkt für die ersten Fahrten auf den Trails. Einzig über die Wahl des Ausgangssetups im Hinblick auf die eingebauten Volumenspacer lässt sich diskutieren, dazu jedoch an späterer Stelle mehr.

Im gesperrten Zustand erledigt die SID SL Ultimate ihre Arbeit tadellos und blockiert die Federung äußerst fest – insbesondere im Antritt in Kombination mit dem leichteren Gewicht ist dies besonders positiv hervorzuheben. Zudem überzeugt der Twistloc-Lockout auf ganzer Linie und stellt die mitunter beste Remote-Lockout-Lösung auf dem Markt dar.

Öffnet man jedoch das Fahrwerk der SID SL Ultimate im Gelände, zeigt sich die wesentliche Grundcharakteristik der Federgabel, die auch bergab erhalten bleibt: Durch die Reduzierung der Komplexität kennt die SID SL Ultimate im Gegensatz zur Variante mit dickeren 35 Millimeter-Standrohren und 120 Millimeter Federweg nur bedingt Kompromisse zwischen einem sehr sensiblen Ansprechverhalten im ersten Federwegsdrittel und einem komfortablen Fahrverhalten in härterem Gelände.

Bergauf sorgt ersteres dafür, dass die Gabel etwas wippt und im Wiegetritt Kraft im Oberkörper verpufft. Bergab ist dieses softe Ansprechverhalten besonders in moderatem Terrain eine regelrechte Wonne und bietet viel Komfort, wie wir es auch bei der größeren SID Ultimate-Schwester mit 120 Millimeter erfahren durften. Steigt jedoch der Anteil an Wurzeln, Steinen und Co. bleibt nun jedoch nicht mehr allzu viel Federweg übrig, um angemessen auf die Herausforderungen reagieren zu können. Die RockShox SID SL Ultimate bietet in allen Situationen eine starke Endprogression, sodass es so gut wie nie zu Durchschlägen kommt, der Spielraum für Feedback in der zweiten Federwegshälfte ist jedoch erheblich reduziert.

Trotz ihrer notwendigen Kompromisse hat die SID SL Ultimate keine Mühe mit anderen Federgabeln in Bezug auf die Geschwindigkeit mitzuhalten.

Als einziges Mittel zur Veränderung lässt sich die Kennlinie durch die Nutzung von Volumenspacern progressiver gestalten, was einen spürbar positiven Effekt im Hinblick auf das zunehmende Feedback der Federgabel in grobem Terrain bewirkt. Im gleichen Atemzug reduziert sich jedoch der Komfort der SID SL Ultimate zusehends. Dennoch erschien uns im Testalltag die Nutzung von Volumenspacern unausweichlich, da insbesondere auf harten Cross Country-Kursen die fahrtechnischen Herausforderungen zu stark sind, um ohne das Feedback im mittleren Federwegsbereich auszukommen. Mindestens zwei, teilweise die maximal möglichen drei Volumenspacer kamen bei uns zum Einsatz.

Etwas überrascht waren wir, dass trotz dieser Kompromisse bezüglich des Komforts auf den Trails die RockShox SID SL Ultimate meist keine Mühe hatte, mit Federgabeln anderer Hersteller in puncto Geschwindigkeit mitzuhalten. Die Steifigkeit ist hoch und die Präzision der Gabel ausgezeichnet – einzig bei vielen aufeinanderfolgenden Schlägen schien die SID SL Ultimate gegenüber der Konkurrenz mit 34 Millimeter-Standrohren das Nachsehen zu haben, was sich weniger auf die Robustheit der Gabel, sondern vermehrt auf die verstärkte Ermüdung zurückführen lässt.

KISS – „Keep it simple, stupid!“ RockShox beschränkt sich bei der SID SL Ultimate auf das Wesentliche und klettert damit insbesondere in der Gewichtsrangliste mit großem Vorsprung aufs Siegertreppchen. Dass dies in der Welt der immer komplexer werdenden Technologien der Federungen und Dämpfungen nicht nur Vorteile bringt, ist recht offensichtlich.

Die RockShox SID SL Ultimate performt auf dem Trail äußerst solide und fährt in Bezug auf die Kontrolle und Geschwindigkeit auf den Trails an der Spitze der XC-Federgabeln mit. In Sachen Komfort erfordert die SID SL Ultimate jedoch Kompromisse: Entweder man erhält eine sensible SID mit etwas harschem Verhalten bei starken Schlägen oder eine SID mit passendem Feedback im groben Terrain, aber geringerem Komfort und einer erhöhten Ermüdung des Oberkörpers.

Genial simpel? Was ist eure Meinung zur RockShox SID Ultimate SL?

Einige der Federgabeln waren schon zur Vorstellung in kurzen Tests hier auf MTB-News zu sehen. Seither wurden sie von einer Vielzahl an Testern in unterschiedlichsten Regionen und auf einer großen Varianz von Trails bewegt. Von Hometrails bis hin zu moderatem Bikepark-Gelände mussten sich die Gabeln überall beweisen. Für jeden Tester wurde dabei ein stimmiges Setup erarbeitet und Empfehlungen zur Performance-Steigerung ausprobiert. Um einen finalen Überblick und direkte Vergleiche zu bekommen, wurden die Federgabeln auch im Direktvergleich gefahren: gleicher Tag, gleiche Strecke, gleiche Linie.

Hier haben wir die RockShox SID Ultimate SL getestet

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